Ich bin frei, weil…

… ich so mein Leben selbst bestimmen kann. Eine feste Anstellung ist eben noch immer schwer vereinbar mit dem Leben, das ich mir wünsche. Ein Wohnort im schönen – aber abgeschiedenen – Odenwald, eine Familie mit Kindern, die ich mittags aus der Kita abholen möchte. Und: Die Freiheit, über die Themen zu schreiben, die ich selbst spannend finde. Als Neurobiologin störte mich, wie wenig ich über den Tellerrand schauen konnte. Als freie Journalistin beschäftige ich mich mit allen möglichen Gebieten und kann in die Tiefe recherchieren, ohne das große Ganze aus den Augen zu verlieren.

Aber ich bin auch frei, weil ich es aushalte, Absagen zu bekommen. Weil ich mit wenig Schlaf auskomme und auch mal mitten in der Nacht arbeiten kann. Weil ich gut organisiert bin und mich weder von der Arbeit überwältigen noch von der Freizeit zu sehr ablenken lasse. Weil ich damit klarkomme, immer wieder in Unsicherheit zu leben, ob ein Auftrag angenommen wird, wann das Geld kommt oder wie die Redaktion über meinen Text urteilt. Und auch, um ganz ehrlich zu sein, weil meine Familie nicht allein auf meine Honorare angewiesen ist. Kurz gesagt: Weil ich mit den Widrigkeiten leben kann. Was nicht heißt, dass ich sie lieben muss.

Vieles davon, positiv oder negativ, ist durch Corona noch relevanter geworden: Ich kann für meine Kinder da sein, wenn sie nicht in die Kita dürfen. Aber Arbeitszeit zu finden, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Wissensredaktionen haben kaum Platz für Themen, die nicht direkt mit dem Virus zu tun haben. Allgemein ist es schwieriger, Antworten von Redaktionen zu bekommen. Wir Freien brauchen mehr Geduld, haben weniger Aufträge. Dabei sind wir gerade jetzt so wichtig. Wir können vernachlässigte Themen ins Gedächtnis rufen und die Redaktionen unterstützen, die mit Corona alle Hände voll zu tun haben. Wir können uns die Zeit nehmen, tiefgründige Artikel zu schreiben, die in der Hektik einer tagesaktuellen Berichterstattung kaum möglich sind. Wir liefern Diversität und andere Perspektiven.

Corona hat gezeigt, wie unentbehrlich guter Wissenschaftsjournalismus ist und wie viel Schaden falsche oder schwer verständliche Informationen anrichten. Das ist eine Chance für uns: Jetzt müssen wir zeigen, dass wir der Herausforderung gewachsen sind. Das schaffen wir, indem wir die verschiedenen Medien sinnvoll kombinieren und Fakten in einen verständlichen Kontext setzen. Viele tun das schon, aber es geht noch mehr.

Hoffnung macht, dass alte Strukturen hinterfragt werden und die Möglichkeiten von digitaler Kommunikation in den Vordergrund treten. Diese Energie müssen wir mitnehmen und für uns nutzen – in der Beziehung zur Öffentlichkeit, aber auch in der Interaktion zwischen Freien und Redaktionen.

Ich habe beschlossen, diese Phase positiv zu nutzen. Ich konnte in den letzten Monaten viel darüber nachdenken, wohin ich möchte und wie ich das umsetzen kann. Ich habe neue Ideen, die mir vor der Pandemie noch Angst gemacht hätten. Jetzt weiß ich: Wenn ich es ausprobiere und es nicht funktioniert, geht die Welt nicht unter. Zudem kann ich mittlerweile gelassener damit umgehen, wenn ich manchmal nicht so viel zum Arbeiten komme, wie ich das gerne hätte. Schließlich ist es oft ein Wunder, dass ich es überhaupt an den Schreibtisch schaffe. Gleichzeitig habe ich gelernt, meine Arbeit mehr zu schätzen und selbstbewusster in Gespräche zu gehen. Ich weiß meine Freiheiten besser zu würdigen und bin unendlich dankbar, dass ich trotz Corona arbeiten kann – anders als viele Menschen, deren Berufe früher mal deutlich sicherer und stabiler erschienen als der freie Journalismus.

Selfie:

Ich bin freie Wissenschaftsjournalistin mit den Schwerpunkten Neurobiologie, Psychologie, Medizin und Biologie. Sehr gerne schreibe ich für das Spektrum der Wissenschaft und Quarks.de, aber beispielsweise auch für die Wissensseiten der taz, des Tagesspiegel und eher regionaler Zeitungen.

Zum Journalismus kam ich als Quereinsteigerin: Vorher promovierte ich im Bereich Neurowissenschaften, für meine Doktorarbeit war ich in der Suchtforschung tätig. Ein Fernstudium an der Freien Journalistenschule und eine Zufallsbegegnung mit einem Wissensredakteur verhalfen mir zum ersehnten Karrierewechsel.

Besonders am Herzen liegt mir die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und meine beiden Kinder heitern das ein oder andere Videointerview auf. Nebenher engagiere ich mich ehrenamtlich bei Kiwanis International, in unserem lokalen Kiwanis-Club und als Media Coordinator bei Kiwanis Europa. Wer es nicht kennt: Kiwanis setzt sich weltweit für Kinder ein und ist nach UNICEF das zweitgrößte Kinderhilfswerk.

Dr. Stefanie Uhrig, Freie Wissenschaftsjournalistin