Ich bin frei weil …

… mich das Murmeltier nicht ewig grüßt. Meine Arbeit als Freie ist deutlich abwechslungsreicher als meine frühere Arbeit als Festangestellte. Das Repertoire an Themen, aus denen ich schöpfen kann, ist groß und sehr abwechslungsreich. Ich lege mich fachlich auch nicht fest, traue mich an Vieles heran. So schreibe ich im Bereich Unternehmenskommunikation unter anderem über Schall- und Brandschutz, die Bauwirtschaft, über die Gesundheitswirtschaft oder auch Apps für den Vertrieb. Als Festangestellte würde ich wie ein Raubvogel um nur eines dieser Themen kreisen. Und das Tag für Tag. Also bin ich frei. Und dies schon im elften Jahr.

Als Freie zu arbeiten, erlaubt es mir, auch „menschelnde“ Themen anzugehen. Porträts und Reportagen sind meine Leidenschaft geworden. Zu ihnen gekommen bin ich wie die Jungfrau zum Kinde – unfreiwillig. Als eine Tageszeitung in meiner Region freie Mitarbeiter suchte, „bewarb“ ich mich, wenn auch widerstrebend. Mir war bekannt, dass Zeitungsverlage nicht zu den spendabelsten Auftraggebern zählen, und ich lehnte es lange ab, für eine zu schreiben. Aber ich suchte einen Notnagel, etwas, das die Auftragslücken füllen würde, wenn die sonstige Lage mau war. Das ist jetzt fast sechs Jahre her, und ich schreibe immer noch für diese Zeitung. Regelmäßig, mit anhaltender Begeisterung und absolut nicht mehr notgedrungen. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen.

Denn ich bin davon überzeugt, dass ich die Menschen, die ich im Rahmen dieser Tätigkeit bereits kennenlernen durfte, nie als festangestellte Redakteurin getroffen hätte. Diese Menschen faszinieren und berühren. Mit einigen von ihnen durfte ich bewegende Interviews führen. Wie das mit einer Frau, die eine unheilbare Lungenkrankheit hat und an der Sauerstoffflasche hängt. Ihr Bewegungsradius beschränkt sich aufs Schlaf- und Wohnzimmer. Mit einem älteren Ehepaar, das über das ganze Jahr verteilt bastelt, näht, backt und einweckt, um die selbstgemachten Produkte auf einem Basar zu verkaufen und den Erlös an ein Kinderhospiz zu spenden. Mit einer Laienschauspielgruppe, die einen Loriot-Abend auf die Bühne brachte, den das Original nicht hätte besser inszenieren können. Und ebenfalls unvergessen für mich: Marco, die preisgekrönte schönste Dogge der Welt, deutlich größer als ihre Artgenossen. Ein Pferd von Hund und ein Seelchen zugleich. All diese Begegnungen hätte ich nicht gehabt, wäre ich nicht als Freie unterwegs.

Ich habe meine diversen Jobs, die ich in den 15 Jahren als festangestellte Redakteurin ausübte, geliebt. Keine Frage. Aber die Atmosphäre in einer Pressestelle ist eher sachlich bis geradezu nüchtern. Irgendwann macht man bei den Themen unweigerlich die Bekanntschaft mit dem ewig grüßenden Murmeltier. Als Freie passiert das nicht. Ich suche ich mir die Themen aus. Ich bestimme, ob ich den Auftrag annehmen möchte oder nicht. Ich habe die Wahl – als Festangestellte hatte ich sie nicht.

Zugegeben – Corona trübt die Stimmung ein. Zum einen kann ich den von mir so geschätzten Menschen nur am Telefon „begegnen“. Porträts und Reportagen sind Makulatur. Zum anderen hängt mein Wohl von dem meiner Kunden ab. Leider gehören einige von ihnen Branchen an, die von der Pandemie besonders getroffen sind. Aufträge sind weggebrochen. Die Situation als solche ist daher schwierig und wird es vermutlich noch einige Zeit bleiben. Aber wer frei sein will, muss immer kämpfen – Corona stellt keinen Sonderfall dar. Frei zu sein, ist nicht leicht, vor allem dann, wenn man wie ich von den Honoraren leben muss. Aber die Freiheit, entscheiden zu können, überwiegt und lässt mich die Unwägbarkeiten, die nicht zu leugnen sind, ihr unterordnen. Und ich bin auch noch aus einem anderen Grund frei: Weil ich weiß, dass meine Arbeit geschätzt wird. Dank toller Kunden, die mir diese Rückmeldung geben.

Dr. Gabriele Reinartz

Im Paradiesgarten 27

61137 Schöneck

Tel.: 0171 / 8 34 56 48