Ich bin frei weil ich so alle Formen des Journalismus ausüben kann. Mit dem Beginn der Pandemie endete für mich die schlimmste Zeit meines Lebens. Ich war ein Jahr krank gewesen, und im Januar 2020 war ich endlich wieder gesund. Zuvor hatte ich fest angestellt als Redakteurin und CvD in einer News-Redaktion gearbeitet. Die vielen Wochenend- und Spätschichten hatten mir meine Energie geraubt und mein Immunsystem geschwächt. Es waren fast alle Redakteure ständig krank und kurz nachdem ich ging kündigten alle Mitarbeiter und die gesamte Redaktion wurde neu besetzt. Für mich war klar: In so einer Umgebung möchte ich nicht mehr arbeiten.

In meiner journalistischen Ausbildung an der Evangelischen Journalistenschule (EJS) in Berlin hatte ich die Vielfältigkeit meines Traumberufs kennengelernt. Bisher hatte ich nur geschrieben, nun entdeckte ich Film und Audio. Ich liebte alle journalistischen Formen, und während einige Kommilitonen genau wussten, dass sie später zum Fernsehen oder zu einer Print-Zeitung wollen, konnte ich mich nicht entscheiden.

Nach meinem Abschluss gewann ich 2017 überraschend eine Förderung des Medienboard Berlin-Brandenburg, um meine eigene TV-Serie über den Alltag von Berufsanfängern zu produzieren. Kurz danach reiste ich auf eigene Faust mit einer befreundeten Fotografin in den Irak, um Reportagen über eine Programmierschule für Geflüchtete und einen Radio-Sender in Mossul zu schreiben. Zurück in Berlin arbeitete ich ein paar Monate als Redakteurin für das Magazin WIRED, danach als deutsche Korrespondentin für einen Startup-Ableger der Financial Times, dann drehte ich wieder eine kleine Filmreihe für fluter. Anstatt mich für eine journalistische Form zu entscheiden, übte ich alle abwechselnd aus. Das geht nur, wenn man frei ist.

Zu diesem Schluss kam ich erneut, als ich mich 2018 doch wie anfangs erwähnt zu einer Festanstellung in einer Newsredaktion verleiten ließ, natürlich auch, weil ein stabiles Einkommen lockte. Obwohl ich als CvD viel lernte, waren die starren Strukturen nichts für mich. Vielleicht hatte ich auch Pech. Wer hätte ahnen können, dass beide Chefredakteurinnen nach nicht einmal einem Jahr kündigten und die ganze Redaktion in sich zusammenfallen würde.

Aufgrund meiner zuvorigen Krankheit und die dadurch verursachte Arbeitslosigkeit bekam ich vom hessischen Staat keine Corona-Hilfe. Ich startete bei null in einer Krise ohne staatliche Hilfe. Doch ich hatte einen neuen Traum, der mir Energie gab: Ich wollte Korrespondentin werden.

Im Februar 2020 reiste ich nach Südostasien, wo auch ein Teil meiner Familie lebt, um mir ein Bild zu machen, wie es klappen könnte. Ich sprach mit deutschen Korrespondenten in Singapur und Indonesien, besuchte das ARD-Auslandsstudio und reaktivierte Kontakte aus meiner Studienzeit in Hong Kong.

Damals gab es schon das Coronavirus, doch in Deutschland galt es als „asiatisches Virus“. In Singapur war es schon angekommen und gut unter Kontrolle. Ich trug Maske, desinfizierte meine Hände und ließ meine Temperatur an jedem Hauseingang messen. Im März reiste ich zurück nach Europa, um meine Sachen zu holen und dann endgültig umzuziehen. Doch dann kam der Lockdown, die Flüge nach Asien wurden gestrichen und ich blieb in Europa – bis heute.

Ich habe meinen Traum jedoch nicht aufgegeben. Seit März 2020 schreibe ich fast wöchentlich über Asien für Die WELT, Deutsche Welle und das Luxemburger Wort. Das ist manchmal schwierig, allein schon wegen des Zeitunterschieds, wenn ich mit Interviewpartnern am anderen Ende der Welt rede. Dieses besondere Jahr hat mir jedoch gezeigt, dass es möglich ist, Schreibtisch-Korrespondent zu sein, wenn es sein muss. Vielen Korrespondenten die in den Ländern sind über die sie berichten, geht es im Lockdown nicht anders. Ich hoffe, dass ich bald ausreisen darf. Zum Ausgleich des Schreibtisch-Journalismus habe ich im Sommer 2020 einen Reportage-Podcast über Kultur und Lebensart in Südfrankreich aufgenommen. Wieder etwas ganz Anderes, wieder eine andere Form des Journalismus. Deswegen liebe ich es frei zu sein.